Günter Krings – planlos durchs Internet
Kurz nachdem in der rauen See des Politkbetriebs die Piraten vorerst ihre Gallionsfigur eingebüßt haben, dachte sich wohl der Mönchengladbacher CDU-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Günter Krings, er könne diese Schwäche ausnutzen und warb offensiv für den hoch umstrittenen Gesetzesentwurf „SOPA“ in den USA.
Nun mag es etwas befremdlich wirken, wenn deutsche Bundestagsabgeordnete sich für einen US-amerikanischen Gesetzesentwurf aussprechen. Eine Warnung sollte es uns jedoch sein. Laut Krings und seinem Mitstreiter Ansgar-Heveling (CDU-Abgeordneter für Krefeld und Neuss) gehe das Gesetz „in die richtige Richtung“. Eine Kritik an einzelnen Punkten findet nicht statt. Der Fall Megaupload zeige, wie nötig ein solches Gesetz sei.
Da Krings und Heveling ihre Unterstützung bekunden, gerade nachdem ja auf der Grundlage der bisherigen Gesetze der Filesharer Megaupload hochgenommen wurde, drängt sich die Frage auf, auf welchem netzpolitischen Blindflug sich die beiden CDU-Politiker gerade befinden.
Nun ist Krings nicht gerade bekannt dafür, repressiven Maßnahmen kritisch gegenüber zu stehen.
Doch auch Wochen nachdem gerade in den USA nicht nur verschiedene Netzaktivisten und Idealisten, sondern ganze Unternehmen gegen das Gesetzesvorhaben massiv protestiert haben und infolge dessen zahlreiche Politiker ihre Position überdacht und schließlich geändert haben, scheint Krings davon nichts mitbekommen zu haben. Die aufsehenerregendste Protestaktion war wohl die Abschaltung der englischsprachigen Wikipedia für 24 Stunden. Die Aktionen hatten Erfolg, das Gesetz liegt jetzt erst einmal auf Eis.
Das Gesetzesvorhaben sieht vor, dass Firmen bei dem Verdacht einer Urheberrechtsverletzung auf einer Seite verlangen könnten, dass diese blockiert wird und auch in Suchmaschinen nicht mehr gelistet wird. Das allein hört sich nicht schlimm an und wäre nur für den Seitenbetreiber (zu Recht) ärgerlich und für die Werbewirtschaft etwas blöd. Problematisch wird es jedoch, wenn dafür , so wie vorgesehen, allein der Verdacht ausreicht und keine richterliche Überprüfung nötig wäre. Das alleinige Handeln eines Staatsanwalts würde ausreichen. Zensur würden somit Tür und Tor geöffnet und das Urheberrecht würde über das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit gestellt. Erst im Oktober 2010 erstritt das Online-Nachrichtenportal heise.de das Recht im Zuge von Berichterstattung auch Links der Meinungs- und Pressefreiheit unterliegen. Ein Link auf eine Seite mit möglicherweise urheberrechtsverletzenden Inhalten wäre bei einer Einführung des SOPA-Gesetzes nicht mehr erlaubt.
Doch wo hört ein Zitat auf und fängt eine Urheberrechtsverletzung an? Die Grenze ist nicht immer so eindeutig. Wie sähe es zum Beispiel mit dem Nachsingen von Liedern bei Youtube aus? Wer mag, kann in diesen kleinen Clips schon eine Urheberrechtsverletzung erkennen. Und wie sieht es mit geteilten Inhalten in Sozialen Netzwerken aus?
Die Gefahr, dass sich das Web2.0 oder „Mitmachnetz“ von jetzt auf gleich erledigen könnte, ist nicht von der Hand zu weisen.
Doch Hauptkritikpunkt an dem Gesetz ist die Aushebelung des rechtsstaatlichen Verfahren. Gerade das lässt Krings erklärte Motivation, den Erhalt des Rechtsordnung, umso obskurer erscheinen.
Sein Verhalten stößt auch innerhalb der CDU/CSU-Fraktion auf Unverständnis. Fraktionsvize Kretschmer bezeichnet die Erklärung von Krings und Heveling als „absurd“ und vermutet „mangelndes Fachwissen“ hinter diesem Vorstoß.
Dabei ist es gar nicht so lange her, dass Krings sich als Kämpfer für das Internet zu profilieren versuchte. Ein Vorhaben, dass, sofern je ernsthaft verfolgt, auch durch sein eigenes Handeln vorerst gescheitert ist.