Noch mehr Demokratie, noch mehr Menschlichkeit
“Und die Antwort auf Gewalt ist noch mehr Demokratie, noch mehr Menschlichkeit” – starke und doch sensible Worte, die Norwegens Premierminister Jens Stoltenberg schon wenige Stunden nach den schockierenden Anschlägen in Oslo und Utøya fand. Noch ohne Kenntnis von der Identität des Attentäters verurteilte er nicht etwa vorschnell die scheinbar wahrscheinlichsten Verdächtigen (http://derstandard.at/1310511975907/Terror-in-Norwegen-Der-Moslem-wars), sondern machte eine Art Bestandsaufnahme und zog daraus die einzig logische Konsequenz: Angriffe gegen die demokratische Gesellschaft fordern als Reaktion noch mehr Demokratie.
Und dass die demokratische Gesellschaft Ziel des Angriffs war, lässt sich auf zweierlei Art leicht belegen. Zum einen durch einen Blick auf die Ziele des Attentäters, die sowohl ein Symbol des Rechtsstaates, nämlich das Büro des Ministerpräsidenten, als auch die nächste Generation der Sozialdemokraten umfassten. Zum anderen sind es seine Beweggründe, die in den ersten Vernehmungen klar wurden: Es ging Anders Breivik darum, sein krankes, aus Hass auf alles linke, muslimische, multikulturelle und generell fremde entstandenes Manifest „2083. A European Declaration of Independence“ bekannt zu machen, in dem er seinen Weg aus dem für ihn „überfremdeten“ und von „Kulturmarxisten regierten“ Europa aufzeigt.
Und genau dort liegt der Punkt, der uns alle betrifft, ob wir nun Sozialdemokraten sind oder nicht – denn wir alle vertreten das, was in Norwegen Ziel der Anschläge war. Wären nun zufällig norwegische statt deutsche Jusos, Osloer statt Berliner – diesen Satz möchte man kaum zu Ende denken. Denn als Jusos teilen wir eine Idee mit der AUF-Jugend, als Bürger in einem demokratischen Land teilen wir mehrheitlich die Ideen der Menschen in der Norwegischen Gesellschaft. Wir sind betroffen im doppelten Sinne: emotional, weil wir die sinnlose, gezielte Gewalt nicht begreifen können; als Individuen, weil diese Gewalt auf unsere Ideale gezielt haben. Man wird abwarten müssen, wie sehr durch das Blutbad die soziale Demokratie, die weltoffene Gesellschaft Norwegens verwundet ist. Man wird auch abwarten müssen, um die Auswirkungen auf unser Land zu erkennen, zu sehen, ob die rechtsradikale/rechtspopulistische Szene einen Aufwind verspürt durch das, was auf den Internetseiten aller bekannten deutschen Parteien selbstverständlich betrauert wird – außer auf denen von NPD und ProNRW. Dabei ist vor allem letztere betroffen, ist sie doch nach dem Vorbild der Norwegischen „Fortschrittspartei“ (Fremskrittspartiet) entstanden, in der Anders Breivik Mitglied war.
Man kann hoffen, dass es in Europa nicht erneut soweit kommen wird wie am Freitag in Norwegen, man kann aber auch ganz einfach die gleiche Konsequenz ziehen wie Jens Stoltenberg: Noch mehr Demokratie, noch mehr Menschlichkeit einfordern und vertreten. Das kann auf keinen Fall schaden. Denn die 93 zum Teil sehr jungen Menschen sind zwar absolut sinnlos gestorben – aber sicher nicht dafür, dass wir uns abwenden oder die rechte Gefahr ignorieren.