Warum das bedingungslose Grundeinkommen uncool ist
In seinem Blog-Eintrag “Grundeinkommen – Bedingungslos?” hat Vorstandskollege Bastian für die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens geworben und einige Gründe dafür ins Feld geführt.
Die Idee eine Grundeinkommens wird nicht erst seit ein paar Jahren vertreten, sondern taucht in der Geschichte immer wieder auf. Das Konzept “Keine/r muss arbeite, jede/r kann” in Verbindung mit einem garantierten Einkommen von ca. 1000€ kann aber nur in einer Generation so aufblühen, wie es das derzeit tut, die (zum Glück!) nie leiden musste. Eine Generation, der es immer in allen Belangen ziemlich gut ging, die in einem freien, friedlichen und vor allem wohlhabenden Europa aufgewachsen ist und für die jedes Ziel erreichbar schien – viele dieser absolut erhaltenswerten Eigenschaften des Lebens dieser Generation wurde durch Schulden finanziert, Schulden, die immer noch wachsen. Wer das bGE implementieren will (und Bastian schreibt zum Glück etwas von “..auf lange Zeit”), vermeidet damit den Blick auf die Jahre 2030 bis 2050, in denen schon die Finanzierung des bestehenden Rentensystems uns vor größte Schwierigkeiten stellen wird – und da soll auch noch jeder Nicht-Rentner 1000€ im Monat bekommen?
Um aber ein wenig wegzukommen von den finanziellen Zwängen – die für sich alleine stehend nie Grund für oder gegen eine politische (zumal sozialpolitische) Maßnahme sein dürfen – hin zu dem ideologischen Hintergrund des bedingungslosen Grundeinkommens: Bedingungslos, also für jede und jeden. Also 1000€ im Monat nicht nur für
- Beschäftigte in Niedriglohnsektor, denen mit einer angemessenen und fairen Bezahlung ihrer Arbeit auch geholfen wäre,
- Arbeitssuchende (möglicherweise Langzeitarbeitslose), die mit deutlich zu niedrigen ALG-II-Sätzen an der unteren Grenze der zumutbare Existenz herumkrebsen und für die eine Transformation vom Arbeitslosengeld-Empfänger zum Grundeinkommen-Empfänger sicherlich ein guter Schritt in die richtige Richtung wäre
- Alleinerziehende Elternteile in der schwierigen Situation, zeitgleich ihre Kinder großziehen und ernähren zu müssen
sondern eben auch 1000€ im Monat für alle Besser- oder Gutverdienende, für Erben großer Vermögen, für Menschen, denen es finanziell wirklich nicht schlecht geht. Nichts, dass ich diesen Menschen das nicht gönnen würde, aber müssen wirklich 1000€ des Gehaltes einer Projekmanagerin, eines Unternehmensberaters oder eines Abteilungsleiters eines mittelständischen Unternehmens vom Staat, also von der Allgemeinheit übernommen werden? Nein, ich glaube, es gibt sinnvollere Wege, Geld einzusetzen.
Und überhaupt, was ist mit dem Grundeinkommen für Kinder? Nach den gängigen Modellen bekommt man den Betrag ab Geburt (“Yeah, endlich reiche Babies!”) – damit fehlt aber jegliche Legitimation, für kostenfreie Bildung zu kämpfen. Wenn das Kind 1000€ im Monat hat, wieso sollte die öffentlich Hand dann seinen KiTa-Platz bezahlen? Also keine kostenfreie, sondern teure, von Kindern selbst bezahlte Bildung von Anfang an. Wenn das selbe Kind dann in die Schule kommt, wieso sollten es dann Unterstützung bei den Kosten für Schulessen, Schulbücher oder Schulmaterial geben? Das Kind bezahl es doch aus eigener Tasche! Und Schwimmbäder, ÖPNV, kulturelle Angebote? Die staatliche Unterstützung würde wegfallen, für sie fehlte jegliche Legitimation. Was Kosteneinsparung auf der einen Seite bedeutet, heißt auf der anderen Seite: Weniger öffentlich geförderte, mehr dem freien Markt überlassene Preisbildung – das bedingungslose Grundeinkommen ist ein durch und durch liberales Gesellschaftsmodell von dem man sich fragen muss, warum die FDP nicht vehement dafür eintritt. Die Gesellschaft, die bei der Einführung des bGE entstehen würde, entspricht nicht meinen Vorstellungen: Soziale Ungleichheit wird zementiert, arbeitslose bGE-EmpfängerInnen verstärkt dem Populismus ausgesetzt (“Noch mehr Geld, was die sich faul in die Tasche stecken) und generell wird soziö-ökonomisch Benachteiligten im übertragenen Sinne geradezu der gestreckte Mittelfinger entgegengehalten, wenn der Staat ihnen genauso viel gibt, wie denen, die schon genug haben. Alle Ziele, die die Sozialdemokratie früher und heute, kurz- und langfristig verfolgt werden konterkariert: Teure KiTas statt kostenloser Bildung von Beginn an, eine dem freien Markt überlassene Kulturszene, eine Festsetzung von Unterschieden, die keine sein sollen, Preise, die aufgrund des plötzlich vorhandenen Geldes durch die Decke schießen.
Und überhaupt: die Preise! Der einfachste Grundsatz der Ökonomie regelt das Zusammenspiel von Angebot, Nachfrage und Preis. Bei der Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens würde sicherlich der Konsum der deutschen Bevölkerung steigen – an sich ein positiver Effekt, doch ist die Binnennachfrage eigentlich kein Problem in der deutschen Wirtschaft. Was aber auch steigen würde, sind die Preise; die Preise für quasi alles: Lebensmittel (obwohl dort eine Preissteigerung tatsächlich teilweise wünschenswert wäre), Mobilität, Kommunikation, Miete, einfach alles – wenn das Geld da ist, was soll die Anbieter von einer Anhebung der Preise abhalten? Das ist in einem (zum Glück) immer stärker verwachsenden europäischen Binnenmarkt und mit der Idee einer Anpassung der europäischen Sozialsysteme nicht machbar. Das finanzstarke Deutschland gibt jedem Bürger und jeder Bürgerin 1000€ im Monat, während im Süden Europas die Jugend verloren geht und die Wirtschaft wegen der Austeritätspolitik der Kanzlerin am Boden liegt? Ein merkwürdiges Verständnis von Europa.
Armut ist relativ, ein bGE mit dem Ziel der Armutsbekämpfung muss sich daher immer den Umständen, also unter anderem den Lebenshaltungskosten anpassen – diese würden aber aufgrund der oben aufgezeigten Inflation beständig steigen – bis man auch mit 1000€ im Monat wieder “arm” ist. Und dann? Grundeinkommen an die Inflationsrate koppeln? Wohl ein schlechter Witz, wenn man nicht grade auf das Konzept “Teufelskreis” steht.
“Linke Politik muss sich immer an ihren konkreten Ergebnissen messen lassen” heißt es in unserer Satzung. Die erwartbaren konkreten Ergebnisse des bedingungslosen Grundeinkommen sind nicht wünschenswert und konterkarieren die Anstrengungen der Sozialdemokratie. Der Vorschlag muss also lauten: Unterstützen wir die, die es brauchen, und nicht nach dem Gieskannenprinzip alle!
Es gibt weitere Aspekte, die bei diesem Thema zum Debattieren einladen, hier aber nicht betrachtet wurden und schnell zum Populismus anregen: Prinzipien des Förderns und Forderns, Rolle von Migranten und Asylbewerbern, Bild der Arbeit und deren Gegenwert. Möglichweise gibt’s dazu demnächst noch einen Blogeintrag.
tl;dr: Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine interessante Idee, trifft aber auch die falschen und zementiert somit soziale Ungleichheit. Außerdem ist es volkswirtschaftlich fragwürdig.